Immer Feuer und Flamme für neue Wein-Abenteuer. Gerade an den Festtagen entkorkt man sich ja bewusst besondere Momente.
Festtagsweine: die Idee
Für mich ist grundsätzlich jedes noch so kleine Genuss-Abenteuerchen ein Fest, weil man immer neues entdeckt, dazulernt und Inspiration mitnimmt. Anderen schöne Entdeckungen (w)einschenken ist zu einem großen Hobby – oder Nebenjob von mir geworden. Von dem zu begeistern, was mich begeistert hat, ist ja der Ursprung dieses Blogs. Mittlerweile ist auch die Family vom Wein- und Spirituosen-Entdeckungs-Indiana-Jones-Vibe angefunkt, und gemeinsam Abenteuer im Glas einschenken, ist nochmal die Prise cooler. Grade an den Festtagen: Wenn dann ambitioniert aufgekocht wird, darf es auch im Glas entsprechend das edlere Besteck sein. Daher hab ich hier mal eine kleine Auswahl Festtagsweine zusammengestellt, die außen wie innen im richtigen Dresscode daherkommen. Unterteilt in fünf Kategorien für fünf verschiedene Situationen, von Auftakt bis Ausklang – alle natürlich selbst probiert und damit festlich empfohlen.
Sparkling Aperitiv: Sekt-Handwerk für Genießer
Schloss Vaux l’Artiste Sekt Brut (Deutschland)
150 Jahre Erfahrung in traditioneller Flaschengärung, französisches und deutsches Schaumweinwissen – das muss doch ein Schaumschiff-Abenteuer in den Glas-Weltraum beamen: Die Sektmanufaktur Vaux hat mit zwei neuen Sekten, die den Namen l’Artiste tragen, ein classy Bubble-Duett entkorkt. Hätte dieser Hausbar-Flirt einen Lebenslauf, drin würde stehen: Handgeerntet, mehrheitlich Riesling und spontanvergoren, Ausbau in Holz, Amphoren und Edelstahl, traditionelle Flaschengärung, mindestens 48 Monate Hefelager. Fakten, mit denen man punkten kann, aber am Ende zählt doch immer der Charakter – die inneren Werte. Und die halten genau das ein, was der classy, charming und kreativ-vibende Flaschen-Dresscode an Flirtsignalen aussenden. Festtagsweine und Perlagen-Poesie, das passt doch zusammen.
Das X als Element für die Verbindung von Tradition und Blick in die Zukunft? Auf jeden Fall matcht der classy Flaschen-Dresscode des Vaux l’Artiste Brut mein Sommerhemd.
Der erste Dufthauch, das erste flüchtige Kitzeln der Nase, schickt eine Message wie Gandalf als Rettung bei Helms Klamm: Erwartet mein Kommen, beim ersten Licht des fünften Tages. Ok, hier müsst ihr nur Sekunden warten, um zu checken, dass gleich Großes passiert. Was mich sofort beeindruckt hat, war die Klarheit dieses Sekts, diese Präzision wie bei einem Formel-1-Fahrer auf der Rennstrecke.
Ein klares Muster ist beim Vaux Sekt l’Artiste Brut zu erkennen: Mit Handwerk und guter Laune Mainstream-Geschmack Schachmatt setzen.
Zitrusschale und Zitrus-Filets tanzen mit einem mit brauner Butter überträufeltem Croissant einen so zielstrebigen Move auf den Dancefloor, dass man erstaunt mehrfach wiederholend ins Glas atmet, um zu schauen, dass das kein One Hit Wonder war. Kann ich spoilern: Jeder Duftzug, jeder Schluck liefert ab wie Taylor Swift in den Album Charts. Dazu hüpfen noch Aromen von Heublumen und Kräutern, aber alles so straight und elegant. Die Erkenntnis: Wow, hier ist Handwerk am Start wie bei der Parkett-Verlegung. Am Gaumen kurvt der Vaux Sekt l’Artiste hefig und gleichzeitig straff umher, immer filigran, aber so klar in seinen Nuancen, so klar in seiner Perlage, die über die Zunge moussiert wie eine Wellness-Behandlung. Ein Sekt mit echt trockenem Humor, der einfach nur einnimmt. Man sagt ja oft: Nimm den Mund nicht so voll! Bei diesem Champions-League-Sekt widersetze ich mich – beziehungsweise wir uns – aber da seriös gerne. Und für mich persönlich der beste Sekt, den ich dieses Jahr probiert habe.
Vaux Sekt l’Artiste Brut, Preis: rund 35 Euro, über www.schloss-vaux.de
Weißwein-Genuss mit Tiefgang
Gut Hermannsberg Niederhausen Riesling 2019 GG (Nahe, Deutschland)
Das Gut Hermannsberg hab ich mir selbst nahe gelegt, weil dort der volle Fokus auf Weißweinen liegt. und dort regelmäßig coole Genuss-Events wie die Weinschmecker-Wochenenden gehostet werden, was mich besonders neugierig gemacht hat. Verzeiht das liebliche Wortspiel mit dem dort vorbeischlängelnden Fluss, die Weine machen das mehr als wett, glaubt mir. Die 30 Hektar Weinberge des geschichtsträchtigen Gutes sind allesamt als GROSSE.LAGEN klassifiziert (VDP). Je nach Bodenverhältnissen werden die mittlerweile sieben GGs unterschiedlich lang gereift, bevor sie auf den Markt kommen. Hier liegt auch genau der Fokus von Gut Hermannsberg: Die authentische Charakteristik der Spitzenlagen unverfälscht in die Flasche zu transportieren. Und was wäre ein schöneres Abenteuer, als diese Ausreifung mit der neugierigen Family mal unter die Lupe zu nehmen? Deshalb gab es zum Advent eine spannende Einschenkung bei Kerzenschein, die wirklich alle komplett begeistert hat.
Perfektes Timing: Die Nahe-Rieslinge vom Gut Hermannsberg dürfen solange reifen, bis sie auf den Punkt sind. Das zeigt auch der Gut Hermannsberg 2019 Hermannsberg Niederhausen Riesling GG.
Keine 200 Meter von der legendären Lage Kupfergrube entfernt liegt die Monopollage Hermannsberg, doch deren Eigenschaften könnten kaum unterschiedlicher sein: Tonschiefer im Untergrund, überlagert von Löß, welches förmlich mit den Winden hierhin verweht wurde. Wenn die Weine lagern dürfen, machen sie einen auf Botanik im Frühling: blühen auf. GG Reserve Weine wie der Hermannsberg Niederhausen GG Reserve werden von Hand gelesen, nach einer kurzen Maischestandzeit spontan vergoren und dürfen danach zwei Jahre im Fass auf der Hefe reifen, bevor sie abgefüllt und weitere 3 Jahre im Keller zur Flaschenreife lagern. Direkt beim ersten Nasen-Kontakt und dem ersten Schluck waren meine Eltern neugierig-hellhörig im Loungesessel, wie ein Trüffelhund der Juwelchen wittert. Vorausgeschickt: Ich hab meinen Eltern nicht gesagt, was sie da im Glas haben, sondern mir mal interessiert angeschaut, wie die Reaktionen ausfallen. Und schnell wird klar: Da ist großes Kino im Glas. Mein Dad, Bier-Sommelier, goutiert mit einem prägnanten: Oha. Oha. Moment, was geht hier ab?
Ein vielschichtiger Riesling, der sich super elegant mit feinen, charming Twists ins Glas kuschelt – und dort auf classy Reise gehen lässt.
Man hat das Gefühl, wie im Kino geht das Licht aus, so ein Lichtspot schwenkt auf den Wein, man wird gehüllt in einen leicht nieseligen, pfirsich-nebligen Morgen am Fluss. Am Gaumen? Unfassbar geschmeidig. Die Säure nimmt einen an die Hand. Dieser Riesling ist ein Wein, der wächst, sich entwickelt, und dabei immer mehr preisgibt – wie zuletzt die Serie Die Toten von Marnow Teil 2. Man weiß: der Täter ist ein Riesling, ist aber angespannt deluxe, wie Inspektor Hermannsberg diesen Fall löst. Grapefruit und Mango spielen eine Rolle, dann taucht der Riesling wieder ab in den Nebel, keine Allüren, absolute Eleganz und Trittsicherheit. Ein Wein, der auf eine Reise mitnimmt, bei der hinter jedem Schluck – mit jedem Atemholen – neue Wendungen warten. Passend zum Weihnachts-Krimi: Man kann gemeinsam miträtseln. Vielschichtig, saftig, dann wieder kandierte Früchte, die filigrane Säure bleibt der rote Faden im Riesling-Drehbuch, bei der man der Mineralität immer mehr auf die Spur kommt. Klarer Fall: Man möchte eine Fortsetzung.
Gut Hermannsberg Niederhausen Riesling 2019 GG, Preis: rund 75 Euro, über gut-hermannsberg.de
Weingut Manincor Sophie (Südtirol)
Manincor ist eines meiner absoluten Lieblingsweingüter in meiner Verliebungs-Region Südtirol – und die Cuvée Sophien ist so ein super charming Wein zum Schwelgen. Ich erinnere mich dann gerne an den Blick von der Tasting-Terrasse des Weinguts mit Blick auf den Kalterer See, bei dem so ein Glas dann echt zum Fern-Glas-Soundtrack wird. Sophie ist ein tasty Weißwein-Dreiklang aus Chardonnay (92 %), Viognier (4 %) und Sauvignon Blanc (4 %). Kurz zu den Fakten: Die Trauben für die Cuvée Sophie kommen je zur Hälfte aus Terlan Lieben Aich und Kaltern Mazzon. Lieben Aich ist eine warme, nach Westen ausgerichtete Hanglange auf 300 m Meereshöhe. Chardonnay und Sauvignon stehen hier auf lehmigem Sandboden, der von Porphyrverwitterungsgestein durchzogen ist. Chardonnay und Viognier auf Mazzon bilden die steilsten Weinberg, die sogenannte Leiten mit bis zu 100 % Gefälle und kalkreichem, lehmigem Lössboden.
Pure Eleganz mit galantem Charme: Die Cuvée Sophie vom Südtiroler Weingut Manincor aus Chardonnay (92 %), Viognier (4 %) und Sauvignon Blanc (4 %).
Im Glas: Für mich hat der Wein das Flair von einer Kitchen Impossible Folge. Man geht auf Abenteuer, unterhaltsam, neugierig machend, aber alles halt so super elegant, kultiviert und classy geschnitten. Ein Weißwein, elegant und dicht, charmant und kräftig – eine Glas-Reise, auf die man sich Zeit nehmen sollte, sich einzulassen. Perfekt also für die Festtage, oder? Tipp: dekantieren und in Burgundergläsern servieren. Dann kommt diese See-Rundfahrt aus einer fruchtigen Auffseglung aus Aprikosen, Orangen, Akazien und Lindenblüten, mit einem Anker aus feiner Mineralik, richtig zur Geltung. Ein Wein, der mit Charakter – aber immer smooth und classy – auf Genuss-Reise nimmt, dabei stets aber so eine zarte Filigranität behält, grazil, aber mit Power.
Ein Südtirol-Weißwein, den man unbedingt mal bemustern sollte.
Weingut Manincor Sophie, Preis: rund 40 Euro, über www.manincor.com/de
Leichter, eleganter Rotwein
Pinot Noir, Weingut Lisa Bunn (Deutschland)
Jetzt swipt man sich im Wein-Tinder ja besonders wieder die kuscheligen Rotwein-Soundtracks nach rechts – passend, weil bei mir grade Spätburgunder Flirt-Signale senden. Und noch passender, dass sich das Weingut Weingut Lisa Bunn aus Rheinhessen unter anderem auf solche Pinot-Oho-Momente spezialisiert hat.
Understatement am Etikett, Trinkzug im Glas: der Einsteiger Pinot Noir vom Weingut Lisa Bunn.
Der kurz und knapp betitelte Pinot Noir für knapp 12 Euro kommt da fast schon mit viel Understatement daher – aber nur auf dem Etikett, das sei versichert. In der Trauben-Tinder-Bio steht: 100 % Spätburgunder, 31 Jahre alte Reben, Kalkstein mit Lössauflage, Handlese, 12 Monate in Barriquefässern aus französischer Eiche. Für mich so ein Wein, der auf etwas schüchtern macht, aber eigentlich schnell erahnen lässt, dass da Charakter-Handwerk allererster Güte unter dem Schafspelz steckt. Unfassbar elegant, reinziehend, die Töne von Johannisbeere, Süßkirsche und Co erinnern mich an so einen ultramatten auberginen-pflaumenfarbenen Autolack, das Ding gleitet smooth und mit einer echt sexy juicy Geschmeidigkeit nur so cruisend durch den Gaumen. Ein classy freches Früchtchen, das die ersten Vorspeisen oder Smalltalk extrem lässig begleitet! Ein guter Spätburgunder kann nicht früh genug ins Festtags-Menü einsteigen.
Elegant-reinziehend: saftig lässige Noten von Johannisbeere und Süßkirsche werden zu einer feinen Geschmacks-Verstrickung.
Weingut Lisa Bunn Pinot Noir, Preis: rund 12 Euro, über weingut-bunn.de/produkt/2021-pinot-noir
Claus Preisinger Puszta Libre (Österreich)
Wow. Mein erster Gedanke, als ich mich an den Puszta Libre! Gewagt habe. Naturwein und ich hatten bis dahin noch nicht den ganz direkten Draht gefunden. Das hat das neue Zalto Denk’Art Balance Weinglas aber geändert. Und was der burgenländische Winzer Claus Preisinger da ins Glas mixt, ist Beeren-Party pur.
Claus Preisingers Puszta Libre ist ein leichter, unkomplizierter, juicy Rotwein aus überwiegend Zweigelt, ein bisschen Pinot und Sankt Laurent – bitte gekühlt trinken!
Ein leichter, unkomplizierter, juicy Rotwein aus überwiegend Zweigelt, ein bisschen Pinot und Sankt Laurent, bisschen als Reminiszenz an einen leichten, frischen Beaujolais gedacht. Sprich: Das Ding kann und sollte man angenehm gekühlt trinken. Puszta Libre! ist reines Trinkvergnügen, bei dem man den Kopf guten Gewissens ausschalten darf. Ganz zarte, saftige Tannine sorgen für ein saftiges Dahingleiten, dazu kommt diese schöne Säurespur wie eine Ohrwurm-Melodie. Erdbeeren, Brombeeren, Himbeeren – was wie viel genau? Who cares. Mich erinnert das an eine Erwachsenen-Interpretation des KiBa – Kirsch-Bananen-Saft im Rotwein-Style. Dieser freche Obstsalat hat Trinkzug ohne Tempolimit und kennt auch keine Bremse, weil jeder Schluck sofort Lust auf eine Wiederholung macht. Easy drinking mal neu gedacht – ranwagen, trauen, Spaß haben! Aber Vorsicht: macht gefährlich Lust auf Flasche zwei.
Ein Naturwein-Charmeur, der mich an saftige Party aus Sauerkirsche, Brombeere und Kirsch-Banane erinnert.
Claus Preisinger Puszta Libre, Preis: rund 13 Euro, etwa über www.gute-weine.de
Kuschliger Rotwein für Entdecker
Penfolds Bin 28 Shiraz (Australien)
Abenteuerreise Down under! Penfolds zählt zweifellos zu den renommiertesten Weinhäusern der südlichen Hemisphäre. Mit seinem Flaggschiff „Grange“ produziert dieses Weingut seit 1952 einen der begehrtesten Rotweine der Welt. Doch Penfolds steht nicht nur für Champions-League-Wein-Momente, sondern bringt auch hervorragende Alltagsweine im preisfreundlicheren Segment ins Glas. Ich hatte bis jetzt Dates mit der coolen Koonunga Hill Serie (Einsteigerfreundlich für rund 12 Euro) und dem Penfolds Max Cabernet (rund 20 Euro). Für die Festtage gings mit der Rolltreppe dann nochmal ein Stockwerk höher.
1962 wurde der erste ‚Kalimna‘ gekeltert. Benannt nach dem berühmten Weinberg im Barossa Valley, den Penfolds 1945 erwarb und der ursprünglich ausschließlicher Traubenlieferant des Weines war. Inzwischen ist auch Kalimna Bin 28 Shiraz ein typischer ‚Multi-Regional-Blend‘ aus Trauben unterschiedlicher Reblagen, die sehr harmonisch zu einem dicht konzentrierten Rebsortenwein verschmelzen. Mit klar definierter, süß gereifter Frucht in der Jugend, nur minimalem Holzeinfluss und ausgezeichnetem Reifepotenzial. Die Geduld hatte ich nur nicht, bei so einem Abenteuer wird direkt entkorkt.
Kommt mit dem richtigen Rotwein-Dresscode für die Festtage: der Penfolds Bin 28 Kalimna Shiraz.
Der Penfolds Bin 28 Kalimna Shiraz lässt einen schon ausn der Ferne einen Abenteuerduft in die Nase strömen wie aus der Zauberlampe gerieben. Tief, herb, würzig, man wünscht sich sofort als ersten Wunsch einen Kamin herbei. Wäre der Flavour ein Dresscode, dann ein John Wick Anzug aus dunklen Beeren, Schwarzkirschen Pflaumen, Räucherschinken oder Tabak. Am Gaumen cruist der Entdecker-Rotwein mit filigranen Martial Arts Moves entlang, geschmeidig, elegant geschnitten, dazu eingestreut feine Prisen Würze. Sofort fällt die elegante Säure auf, eine Art Johannisbeer-Schatten, der sich mit der Würzigkeit ein packendes Duell liefert – oder fast schon gemeinsam einen Tanz aufs Parket legt. Die Fruchtigkeit wird ergänzt durch Anklänge an Schokolade und getrocknete Feigen. Kein wuchtiger Wein, aber eine intensive Fahrt, die jede Kurve kriegt, Grip hat, und mit mehr Luft immer smoother und komplexer wird – dabei aber stets filigrane Haltung bewahrt.
Festtagsweine Down Under. Beim Penfolds Bin 28 Shiraz tanzt eine filigrane Johannisbeersäure mit feiner Würzigkeit.
Penfolds Bin 28 Shiraz, Preis: rund 40 Euro, etwa über www.hawesko.de
Cuvée rot Ried Bärnreisser 1ÖTW, Weingut Grassl
Chroniken des 17. Jahrhunderts erzählen, dass in den „Pernreisern“ einst die Hexen ihr Unwesen trieben. Heute steht diese Lage in Österreich für eine bodenständig verzaubernde Premiumcuvée aus Zweigelt, Blaufränkisch, Merlot und Cabernet Sauvignon von bis zu 60-jährigen Reben – soviel sei schon mal verraten.
Cleanes Etikett, cleane Taktik: Der Ried Bärnreiser vom Weingut Grassl lädt ein auf eine Rotwein-Aromen-Safari.
Gehen wir kurz und knapp den Lebenslauf durch: Kontrollierte Vergärung durch natürliche Hefen in Holzgärständern bei max. 28 – 30°C durch sanftes Unterstoßen und Überfluten des Tresterhutes, Maischestandzeit 18 bis 25 Tage. Anschließend Säureabbau in 40% neuen und gebrauchten kleinen Holzfässern sowie 500l Fässer aus franz. Eiche, Klärung durch einmaliges Umziehen und Sedimentation, 18-monatige Reifung bis zur Abfüllung im Juli 2024. Und dann lässt der österreichische Rotwein einen direkt mal auf große Fahrt in den Aromen-Süßigkeitsladen gehen. Saftig marmeladig, tiefbeerig, Vanille, dunkle, reife Waldbeeren, Cassis, brombeerige Kräuterwürze – hier wird direkt in den dritten Gang geschalten. Was genau mein Style ist? Diese Whisky-Vibes – Trockenfruchtig, Vanille, Holz, leichte Nougat-Töne.
Reduziertes Etikett, maximaler Glas-Spaß: Mit diesem Rotwein kommt Schokolade ins Weinglas.
Und genau die sind bei diesem Wein der rote Faden, aus dem sich ein elegantes wie spannendes Reben-Outfit spinnt. Je mehr Atemzüge der Grassl Ried Bärnreiser nehmen darf, desto mehr gräbt sich so ein Zartbitterschokoladen-Flair an die Oberfläche wie ein Winzer-Maulwurf. Das macht mir, der Bitterkeit eigentlich nicht wirklich abkann, aber Spaß, weil dazu so eine animierte, beerige Saftigkeit in den Aromen-Sandkasten kommt, um mitzuspielen. Das Ding gleitet über Zunge wie Marco Arnautovic früher nachts über die Bremer Autobahn, dunkle Johannisbeeren flirten mit feiner Säure, mein erster Gedanke: Gebt mir einen Kamin und eine zweite Flasche, die Nacht darf länger werden als die lange Nacht in Game of Thrones. Drachenstark, dieser Rotwein. Hat natürlich sein Budget, aber lieber einmal richtig verliebt auf Glas-Abenteuer gehen als mehrfach halbherzig – das gilt doch besonders für Festtagsweine.
Cuvée rot Ried Bärnreiser 1ÖTW, Weingut Grassl, Preis: rund 34 Euro, über www.grassl.wine
Galanter Absacker: Weinbrand & Co
Weinbrand Likör Heinrichswerk, Destillerie Heinrich (Deutschland)
Wie man Familien-Traditionen interpretiert? Bei uns ist eine durch mein Hobby entstandene: Ich spiele, besonders auf Reisen, immer bisschen Hausbar-Indiana-Jones und suche nach Wein-, Bier-, Edelbrand- und Co-Entdeckungen, die ich dann der Family vorstelle. Direkt für etwas langfristiges abgesegnet wurde dieser Weinbrandlikör vom Rande des Schwarzwaldes. Seit über 150 Jahren wird bei der Heinrichs Destillerie in der Ortenau gebrannt, und das schmeckt man. Ich bin echt kein Fan von Likören – mir oft zu süß und klebrig. Wenn auf dem Heinrichswerk aber was klebt, dann das Etikett Genussabenteuer – und das Kriterium Festtagsweine ist auch erfüllt.
Likör, ja, aber nach einem echt feinen Muster: Der Heinrichswerk tendiert mehr in Richtung smoother Weinbrand.
Ausgesuchte, vollreife Rieslingtrauben werden nach der Destillation für mindestens 5 Jahre im Fass zur sensorischen Abrundung gelagert und anschließend zum Likör weiterverarbeitet. Sehr classy, geradlinig, nicht zu schwer und hintenraus scheint der Wein beeindruckend durch wie Gandalf beim ersten Licht des fünften Tages in Helms Klamm. Meinen Eltern hat das erste Likör-Date so gefallen, dass direkt eine nächste Flaschenpost geordert wurde. Und die Jury ist mittlerweile echt im besten Sinne anspruchsvoll.
Sehr classy, geradlinig, nicht zu schwer und der als Grundlage genutze Wein zeigt beim Heinrichswerk elegant immer Präsenz.
Destillerie Heinrich Heinrichswerk Weinbrand Likör, Preis: rund 33 Euro, über www.heinrichs-destillerie.de
Selva Negra (Deutschland)
Neugierde ist ja einer der Antriebe für meinen Blog, und besonders freu ich mich, wenn mein innerer Genuss-Indiana-Jones neues Futter kriegt. Vor allem, wenn dieses Futter Made in Germany ist – man ist ja echt oft überrascht, was wir in unserem Land an tasty Flirts so herstellen. Allein die Verpackung von Selva Negra Spirits, das ich im Hotel Ritter Durbach entdeckt habe, ist ein Augenschmaus – Schwarzwald trifft Mexiko im Tattoo-Style. Swaggy. Ist das jetzt Tequila oder Mezcal? Ich würde sagen: let’s call it Agaven-Spirituose.
Tequila und Mezcal-Vibes aus dem Schwarzwald? Selva Negra denkt Agaven-Adventure neu.
Ein Direktextrakt der Wildagave Salmiana wird zu Agavenwein vergoren und dann 2-fach destilliert. Wie kann das als Festtagsweine durchgehen? Ich musste die Regularien schon etwas strecken, aber es kommt eine spezielle Wein-Hefe zum Einsatz – und damit wären wir ja hier wieder im Spiel, oder? Der Clou: Durch ein Mazerationsverfahren kommt Aroma der Schwarzwaldfichte dazu – plus deren markanter Rauch. Das schmeckt im Glas dann so smooth elegant, als ob man in der Ferne einen Schinken beim Räuchern erschnuppert, während der kernige Vibe der Agave den Gaumen streichelt. Ungewohnt, anders, aber grade deswegen derbe neugierig machend!
Unter Verwendung der seltenen Salmiana Agave aus Zentralmexico entsteht mit Hilfe einer speziellen Weinhefe, Schwarzwaldwasser, Schwarzwaldfichte und dem Rauch regionaler Hölzer ein uniques Spirituosen-Abenteuer.
Selva Negra Classico, Preis: rund 65 Euro, über www.selvanegraspirits.com