
Diese Reben-DJs machen es, wie es der VAR beim Fußball eigentlich machen sollte: nicht unnatürlich eingreifen. Im Fokus: Ein Bewusstsein für die Natur und bewussten Umgang damit. Die Weinkaufsliste mit biodynamischen Weinen für Einsteiger und Horizonterweiterer – die regelmäßig erweitert wird. Stay tuned!


Immer Feuer und Flamme für neue Wein-Abenteuer. Nach etwas Eingewöhnung zählen dazu jetzt auch – oder besonders – biodynamische Weine und Naturweine.
Die Weinkaufsliste mit biodynamischen Weinen: keine Berührungsängste, sondern Neugier auf bewusstes Handwerk
Fast Food? Das war in der Kindheit mal spannend und hat heute in Ausnahmesituationen noch ab und zu mal eine kurze Berechtigung, aber sonst dreht sich auf meiner jetzigen Station der eigenen Journey schon länger alles um bewussten Genuss. Wissen, wo Dinge herkommt, wer sie – und vor allem wie – gemacht hat, schmeckt einfach besser.
Um ehrlich zu sein: meine ersten Erfahrungen mit Naturwein oder biodynamischen Weinen vor einigen Jahren waren ausbaufähig und nicht von viel gemeinsamer Wellenlänge gekrönt. Aber, und das hab ich auch auf meiner Reise gelernt: Man sollte immer neugierig bleiben, nicht von einer schlechten Erfahrung auf alle schließen, und einfach Berührungsängste abbauen. Und manchmal braucht es ja auch nur einen kleinen unerwarteten Stups, um Erfahrungen eine zweite Chance zu geben, die sich als Glücksgriff erweisen wird. In meinem Fall: Das Tasting mit dem Zalto Denk’Art Weinglas Balance. Das hat gezeigt, wie diese Weine in einem für sie passenden gläsernen Wohnzimmer so richtig zeigen können, was sie ausmacht, und vor allem: woher sie kommen. Sprich: wie bodenständig sind sie. Und nach genau solchen Charakterköpfen im Glas, die durch das Abitur des biodynamischen Weinbaus möglich sind, halte ich neugierig Ausschau.
Was ist eigentlich Biodynamie?
Die biologisch-dynamische Landwirtschaft geht zurück auf den österreichischen Philosophen Rudolf Steiner, der Anfang des 20. Jahrhunderts die Anthroposophie begründete. Ihre Lehren nutzt er auch für die Biodynamie (aus dem Griechischen Bios = Leben und Dinamikòs = Bewegung), die Steiner 1924 im Rahmen einer Vortragsreihe präsentierte. Zentraler Gedanke: ein je nach Standort individuelles, lebendiges Zusammenspiel zwischen Boden und Pflanze, zwischen Tier und Mensch. Neben Praktiken der biologischen Landwirtschaft gilt der Einsatz der biodynamischen Präparate zur Boden- und Pflanzenbehandlung als Alleinstellungsmerkmal.
Mit der Natur arbeiten
Klimaveränderungen, exzessive Trockenheit und Starkregen – in all diesen Extremsituationen sind Reben auf einen gesunden und vitalen Boden angewiesen. Genau dieser steht im Mittelpunkt der Biodynamischen Wirtschaftsweise. Ein biodynamisch bewirtschafteter Weinberg ist ein komplexer, individueller Organismus, bei dem Menschen, Tiere und Pflanzen auf respektvolle, harmonische Art und Weise zusammenwirken. Biodynamische Weine spiegeln das Terroir ihres Standortes und sind authentische, handwerkliche Erzeugnisse, kultiviert mit einem ganzheitlichen Verständnis für die Prozesse in Boden, Pflanze und Fass. Das schmeckt man mit jedem Schluck. Neben Demeter hat sich auch die internationalen biodynamischen Vereinigungen Biodyvin dieser Philosophie verschrieben und stellt diese bei Weinmessen wie der BIODYNAMIC WINE FAIR (27-28.4.2025) in Mainz zum Erleben vor.

Biodynamische Weine und Naturweine zum Entdecken
Vernatsch Römigberg, Weingut Alois Lageder (Südtirol)

Von Natur aus beweindruckend: Beim traditionsreichen Weingut Lageder wird der Reben-Soundtrack biodynamisch ins Glas geschraubt. Weinbau wird ganzheitlich gedacht. Es gibt Ochsen in den Weinbergen, einen Gemüsegarten daneben oder gar ein eigenes biologisches Restaurant. In den 1980ern begann ein Qualitätskurs, der nicht nur für unser Weingut, sondern für die Weinregion Südtirol wegweisend war – hin zu einem nachhaltigen Weinbau und die Umstellung aller familieneigenen Weinberge auf biodynamischen Anbau. Auch die mittlerweile sechste Generation möchte die Identität der Weine weiterentwickeln und – auch im Hinblick auf die klimatischen Veränderungen – in Zukunft weiterhin Wege finden, gesunde und nachhaltige Landwirtschaft zu betreiben.
Alois Lageder Vernatsch Römigberg

Vernatsch mich stilvoll: Leicht angekühlt ist der Vernatsch Römigberg ein juicy eleganter Sommer-Soundtrack im Glas.
Biodynamisch dynamisch und voller Elan kommt auch der Classic Südtirol Hit Vernatsch daher. Die Obstsalat-Beats von der Lage Römigberg haben in Pergola-Form, also sozusagen über Kopf, Abitur gemacht – und haben jede Menge Talent, meinen Kopf zu verdrehen. Leicht gekühlt eingeschenkt ist das eine saftige Verführung, die fein rotfruchtig-kirschig, leicht rauchig-würzig die Nase streichelt. Dann geht’s wie ein plätschernder Bach erfrischend geradlinig einmal zur Gaumen-Wellness. Der Vernatsch für faire 15,50€ nimmt Fahrt auf, leichte Würze steigt mit ein, Motto: juicy Journey. Säure nimmt Kirschsaft an die Hand und hüpft händchenhaltend durchs Glas.
Geradlinig einmal bitte zur Gaumen-Wellness: Der Römigberg Vernatsch flirtet fein rotfruchtig-kirschig, leicht rauchig-würzig.

Der erste Schluck fühlt sich an, als würde man das Cabrio-Dach öffnen und bei zart streichelndem Fahrtwind einen Johannisbeer-Kirsch-Schokoladen-Song singen. Für mich ein erwachsener Sommer-Hit mit Wunsch nach einer zweiten Flasche.
Alois Lageder Vernatsch Römigberg, Preis: rund 15,50 Euro, etwa via guteweine.de

Rózsa Petsovits Rosé, Weingut Weninger (Österreich)

Einer meiner Wein-Sommer-Hits des Jahres: Rózsa Petsovits Rosé vom österreichischen Weingut Weninger.
Grade wo es draußen wieder Frosti der Schneemann Temperaturen hat, darf es im Glas bisschen Sommer-Vibes zwitschern – und da leg ich gerne Rosé-Soundtracks auf. Diesmal: ein Tune aus dem Burgenland, der bei mir auf Repeat dreht. Rozsa Petsovits von Weingut Franz Weninger hat mich schon mit dem Grafik-Etikett angeflirtet – und der Inhalt hält das Knistern. Die biodynamische Cuvée aus Pinot Noir, Syrah, Zweigelt ist ganz weit weg vom Mainstream-Dresscode, will es nicht allen recht machen und macht grade deswegen so neugierig. Mich hat’s an den neuen The Weeknd Song Cry for me erinnert. Zielstrebige Akkorde von Cranberry, Kische, Johannisbeere und Erdbeere, dazu unfiltrierter Nebel, coole Beats, Blutorange-Drums, und so geschmeidig im Trinkzug. Kurz: Sommer-Sehnsucht.
Die biodynamische Cuvée aus Pinot Noir, Syrah, Zweigelt ist ganz weit weg vom Mainstream-Dresscode, will es nicht allen recht machen und macht grade deswegen so neugierig.

Rózsa Petsovits Rosé, Weingut Weninger, Preis: 11,90 Euro, etwa über gute-weine.de

Lemberger & Lemberger Endschleife, Weingut Roter Faden (Baden-Württemberg)

Weingut Roter Faden Lemberger 2019
Make Lemberger great again! Olympia Samara und Hannes Hoffmann vom Weingut Roter Faden haben sich im württembergischen Vaihingen an der Enz dem biodynamischen Weinbau verschrieben. Auf reinem Muschelkalk und trocken gemauerten Terrassen, wachsen die Sorten Lemberger, Pinot Noir und Riesling. Der minimalistische Einfluss im Keller und das Arbeiten nach anthroposophischem Vorbild sollen für Lebendigkeit und Individualität sorgen. Ich hab als erstes den Lemberger 2019 (19€) zum Wein-Date ausgeführt. Und der Name ist hier Programm: denn durch diesen seidig weichen Obstsalat (Lemberger ist in Österreich Blaufränkisch) zieht sich ein roter Faden der Gelassenheit.

Durch diesen seidig weichen Obstsalat von Olympia Samara und Hannes Hoffmann vom Weingut Roter Faden aus dem württembergischen Vaihingen an der Enz zieht sich ein roter Faden der Gelassenheit.
Ein Lemberger im Style von The White Lotus. Als ob sich Sauerkirschen, Johannisbeeren, Hagebutte und Schokolade zum saftigen Yoga treffen.

Ein Charakterkopf, der neugierig macht, weil er nicht gleich mit der Tür ins Haus fällt, man aber ahnt, dass die inneren Werte sehr spannend zu entdecken sind – der einfach happy mit sich selbst ist. Dabei aber auf so eine ungewöhnlich charming skurille Art hypnotisierend wie die Serie „The White Lotus“ – als ob sich Sauerkirschen, Johannisbeeren, Hagebutte und Schokolade zum saftigen Yoga treffen. Ein unfiltrierter Naturwein, vor dem man als Einsteiger keine Angst haben muss. Macht neugierig auf mehr!
Weingut Roter Faden Lemberger 2019, Preis: 19 Euro, via viniculture.de
Weingut Roter Faden Lemberger Endschleife 2022

Endschleife oder Endlosschleife? Dem super spannenden Lemberger vom Weingut Roter Faden sollten neugierige Entdecker Gehör schenken.
Der Name dieses Rotweins vom Weingut Roter Faden ist treffend wie ein 9-Darter: Ich könnte mir diesen wegen seiner Gelassenheit grade so aufregenden biodynamischen Lemberger Endschleife auf Repeat reinstreamen. Eine schwerelose, dunkelbeerige Dämmerung und tiefe, samtige Würze beamt Abenteuerlust ins Glas wie bei Guardians of the Galaxy. Auch dieser Wein hat diesen unbedarften, in sich ausgeglichen Flow inhaliert, der die Magie ausmacht. Weil man das Gefühl hat, je länger man diesem klaren Weg im Glas Schluck für Schluck folgt, desto mehr driftet man – im echt positiven Sinne – ab in einen Aromen-Textur-Struktur-Zauberwald.
Smooth, weich, elegant, lässig, dazu eine hypnotisierende, tänzelnde saftige Säure im Style von Sauerkirsche und Johannisbeere: so classy spannend geht Lemberger Made in Germany.

Smooth, weich, elegant, lässig, dazu eine hypnotisierende, tänzelnde saftige Säure im Style von Sauerkirsche und Johannisbeere: ein classy Obstsalat, der feinsinnig neugierig macht auf mehr. Ein Rotwein wie ein Kreisverkehr, in dem der Eberhofer nächtelang cruisen könnte – und ein Wein, der auch eine Leberkas-Semmel locker in neue Sphären trägt.
Weingut Roter Faden Lemberger Endschleife 2022, Preis: 34 Euro, etwa via viniculture.de

Naked Rosé, Weingut Heinrich (Österreich)

Hat die richtige Mähntalität für den Sommer: der crispy Obstsalat Naked Rosé vom Weingut Heinrich aus dem Burgenland in Österreich.
Und Zack: wieder ein Naturwein, der zeigt: Man muss für Spass daran nur die richtige Mähntalität mitbringen. Keine Sorge: dieser crispy Obstsalat (12,50€) vom Weingut Heinrich aus dem Burgenland in Österreich schmeckt besser als meine Wortspiele – aber das Etikett war zu einladend. Der Naked Rosé wäre sicher ein Kandidat für ein Onlywines-Abo, hat mich aber grade wegen des ungeschminkten Charakters so beeindruckt, dass das jetzt schon einer meiner kommenden Sommer-Hits ist. Im Wein-Tinder-Profil: Blaufränkisch. Spontanvergoren, Ausbau in der Tonamphore. Unfiltriert und nur minimal geschwefelt abgefüllt.
Ungeschminkt, unfiltriert, herb, juicy: Einlassen und für Neugier belohnen lassen.

Von Standart-Rosé halt so weit weg wie die Fifa von Korruptionsfreiheit. Aber grade diese edgy, herbe Note, die bissl an kalten Hagebuttentee erinnert, nach dem Schlucken aber einen hypnotisierenden Säure-Trinkzug-Aufwärtshaken à la Rocky schlägt, kitzelt das Gaumenaquaplaning mit der nackten Wahrheit: ehrlichem Handwerk.
Naked Rosé, Weingut Heinrich, Preis: rund 12,50 Euro, etwa via guteweine.de

Weißwein SUMM, Thomas Niedermayr (Südtirol)
Bei Thomas Niedermayr auf dem Hof Gandberg steht das gesamte Gefüge aus Pflanzen, Tieren und Böden im Zentrum – da können auch Laufenten und Hühner das Leben genießen. Er setzt die Pionierarbeit seines Vaters – der bereits Mitte der 1980er Jahre damit begann – in Sachen Bio-/ Naturwein konsequent fort. Seit 1991 ist der Hof Bioland Mitglied. Rund um den Hof stehen ausschließlich PIWI-Rebsorten. Dieser umfassende biologische Betriebskreislauf ist in seiner Art in Südtirol einmalig. Mit Solaris, Bronner oder Souvignier Gris hat man hier Rebsorten im Glas, die vielleicht anfänglich ungewohnt wirken. Mit ihrer unnachahmlichen Natürlichkeit, Präzision, Mineralik und Harmonie überzeugen sie jedoch schnell.

Südtirol kann fließend biodynamische Weine sprechen. Thomas Niedermayr buchstabiert seine unter anderem S-U-M-M.
Ich hab bei einem Tasting reinprobieren dürfen, und kann sagen: Reben-Soundtracks, die erfrischend neugierig machen – und der SUMM hat sich gleich mit dem ersten Schluck zum Gaumen-Ohrwurm geflirtet. Eine charming Cuvée aus Solaris, Bronner und Souvignier Gris. Erinnert an eine Art Wein-Mojito – mit Minzblüte, Kräuter-Fanta-Vibes, Almdudler, frischer Limette – das Ding ist Sommer-Soundtrack pur für neugierige Entdecker. Nicht nur aus Südtirol. Kein seelenloser Mainstream mit Social-Media-Lebensdauer, sondern Glasspaß deluxe. Auf der Zunge tänzelt der SUMM fein seidig mit knackiger Säure.
Biodynamische Weine können etwas von Bienchen und Blümchen erzählen – im Falle vom SUMM hält der Geschmack, was der charming Etiketten-Dresscode verspricht.

Das Ding hat Flow, hüft durch den Gaumen wie Heidi im Zeichentrick-Intro über den Berg. Der Trinkzug grüßt fröhlich und hört ein Echo. Ja, schon leicht edgy, aber macht einfach neugierig auf den nächsten Schluck. Zum gedankenlos weginhalieren viel zu schade, der SUMM möchte schon, dass man beim Trinken in die Augen blickt. Und dann geht die tasty, erfrischende Flirterei im Glas los.
Thomas Niedermayr SUMM, Preis: rund 17,90 Euro, etwa über bergwein.com
