Die Steiermark war schon öfter in meinem Weinglas zu Gast – ein persönliches Entkorkungs-Abenteuer direkt vor Ort steht aber noch aus und klebt ganz oben auf meiner Wein-Journey-Bucket-List. Grade die kultiviert-crispy Sauviognon Blancs oder die smooth-schmeichelnden Morillons haben mir Freude bereitet wie meinen kleinen Nichten ein sommerliches Bad im Planschbecken.
Und bei sommerlicher Abkühlung wären wir direkt beim Stichwort. Dafür steht für mich Rosé pur wie die Abenteuerland-Band. Rosé klingelt dir einfach diese lässig-lauen Zeit-Vergess-Vibes um die Ohren, was früher als Kind ein Erdbeereis war, schenk ich mir jetzt ein gefühlt geschmolzener Aromen-Form ein.
Die Rosé-Soundtracks kamen dabei bisher aus aller Welt: Deutschland, Südtirol, Italien, Spanien, Chile, Frankreich oder Österreich. Ganz Österreich? Nein! Eine von unbeugsamen Weinmachern bevölkerte Region hörte nicht auf, ihren Zaubertrank meinem Sichtfeld zu entziehen. Bis jetzt! Denn die Weststeiermark ist im Besitz einer einzigartige Sortenspezialität, die sonst niemand hat. Im Weingarten noch als Blauer Wildbacher bezeichnet, werden die Trauben im Zuge ihrer Wein- oder Sektwerdung zum beliebten Schilcher.
Der fristete lange ein Dasein wie die Fundsachen bei Bares sucht Rares – waren halt was für nerdige Liebhaber und Lokalhelden, ich beziehungsweise die nächste Generation Wein-Entdecker hatte aber andere Reben-Soundtracks auf der Playlist. Da muss dann manchmal der Zufall helfen – in dem Fall eine erst trocken wirkende TV-Reportage über die Steiermark, bei der sich dann intensiv dem Schilcher gewidmet wurde – und zack, plötzlich war ich neugieriger als die allwissenden Kissen auf der Fensterbank rausblickenden Senioren.
Das Tasting-Trio: Ried Edla Schilcher, Ried Hochgrail Schilcher und Ried Hochgrail Sonnenhang Schilcher.
Kurze Zeit später spülte es dann eine Flaschenpost aus der Weststeiermark an die Tür. Für Stefan Langmann vom Weingut Lex Langmann ist der lokale Schatz Schilcher eine Herzensangelegenheit. Er remixt die Reben-Töne in den verschiedensten Spielarten – vom leichten, knackigen Sommerwein über die Prädikatsweine bis hin zum edlen Lagenwein und diversen Schaumweinvarianten.
Weingut Lex Langmann im Interview: Schilcher als Herzensangelegenheit
In der kargsten und steilsten Weinlandschaft Österreichs wachsen die Reben der Familie Langmann. Auf hohen Lagen mit schwindelerregender Hangneigung. Hier wirken sich die kühlen Witterungsbedingungen der Alpen und die klare Luft wohltuend wie eine Wellnessbehandlung auf die Reben aus. Sie garantieren Frische, temperamentvolle Aromatik und Leichtfüßigkeit. Gut, wenn man da einiges an Erfahrung in der Hinterhand hat. Schon seit 250 Jahren widmet sich die Familie mit Hingabe der Sorte Blauer Wildbacher, aus der die regionale Spezialität Schilcher gewonnen wird. Stefan Langmann, sein Bruder Günther und auch Stefan senior sind gemeinsam mit den Mitarbeitern täglich in den Steillagen tätig. Auf diese Weise kennen sie jede der Parzellen bis ins Detail und können so auch die spannendsten Lagen für faszinierende Weinpersönlichkeiten auswählen.
Die Reben-DJs hinter den Schilcher-Soundtracks: Stefan und Verena Langmann.
Was liebt ihr an eurem Beruf?
Was wir an unserem Beruf lieben, ist die Vielfalt der Tätigkeiten. Es geht um Strategie, Büroarbeit, Vermarktung, den Kontakt zu Kunden – aber vor allem um die Arbeit mit der Natur. Diese Arbeit ist das Schönste und Erdendste, besonders wenn man die kleinen Dinge beobachten kann. Es ist ein Privileg, die Vegetation und das Wachstum der Reben mitzuerleben und dabei die Jahreszeiten ganz bewusst wahrzunehmen. Wie man jetzt den Übergang vom Sommer auf den Herbst beobachten konnte: Tagsüber spürt man die fast unerträgliche Hitze der Sonne, aber abends merkt man bereits, dass es früher dämmert und der Boden taunass wird. Außerdem ist es etwas Besonderes, eine Herkunft und einen Jahrgang in die Flasche zu bringen – eigentlich verrückt, wenn man darüber nachdenkt.
Schilcher für euch zusammengefasst in drei Wörtern?
Herkunft, Einzigartigkeit und kühles Klima.
Auf was sollten Einsteiger achten, wenn sie sich zum ersten Mal an Schilcher im Glas probieren?
Wer sich zum ersten Mal an Schilcher im Glas versucht, sollte neugierig auf eine neue Dimension von Rosé sein. Man hat nicht einfach irgendeinen Rosé im Glas, sondern man schmeckt die Herkunft. So unterschiedlich die verschiedenen Lagen und Ortsweine auch sein mögen, man wird immer eine unglaublich markante Frische und eine gewisse Ernsthaftigkeit am Gaumen erleben. Die Blaue Wildbacher Traube ist eine autochthone Rebsorte mit hohen Ansprüchen, einer tollen Säurestruktur und wunderschönen Tanninen. Schilcher bedeutet 100% Blauer Wildbacher. Besonders markant ist auch die Farbe. Der etwas dunklere Farbton kommt daher, dass der Blaue Wildbacher eher kleinbeerig ist und die Schalen besonders viele Farbstoffe enthalten.
Schilcher sollte man bewusst genießen und sich auf einen ernsthaften Rosé einlassen. Am besten schmeckt er in Gesellschaft von lieben Freunden und mit dem passenden Essen. Ich persönlich finde die Kombination von roter Rübe mit Schafkäse und den Walnüssen von Oma in Verbindung mit unserem Ried Edla Schilcher super spannend. Aber das lässt sich nicht pauschal sagen – es kommt immer auf die jeweilige Lage oder den Ort des Schilchers an.
In der Weststeiermark geht der Wein steil.
Wieso ist Schilcher viel besser als das oft noch angestaubte Image?
Schilcher erlebte einst einen großen Hype, was dazu führte, dass die Preise hoch waren und der Wein am Markt sehr gefragt war. Allerdings führte das auch dazu, dass einige nicht so gute Weine auf den Markt kamen, weil sich nicht jeder Winzer dieser anspruchsvollen Rebsorte gewachsen fühlte. Die logische Konsequenz war, dass diese Weine und die entsprechenden Winzer schnell wieder vom Markt verschwanden. Über Generationen hinweg wurden wertvolle Erfahrungen gesammelt und weitergegeben – davon profitieren wir heute. Das Klima ist etwas freundlicher geworden, was den Anbau erleichtert. Schilcher ist kein kurzfristiger Hype, sondern ein Erzähler seiner Herkunft. Kühles Klima, steile Hänge und viel Niederschlag – keine einfachen Bedingungen, aber unglaublich spannend. Ich liebe reife, eigenständige Weine, die ihre Herkunft spürbar machen und einen Eindruck vom Jahrgang vermitteln. Dabei haben wir immer einen moderaten Alkoholgehalt. Immer wieder ist es aufs Neue faszinierend.
Die Aussicht auf Genuss lockt im Buschenschank. Dann treffen Klassiker wie Brettljause, kalte Ripperl, Schinken, Salami oder Rohmilchkäse großer Beliebtheit zum einen oder anderen Glas Wein.
Lex Langmann Ried Hochgrail Schilcher
Denimt sich sehr entspannt, aber zeigt Charakter: Lex Langmann Ried Hochgrail Schilcher
Steiermark, bist du saftig! Weine können ja richtig Sommer einschenken, und Rosé ist da für mich der Soundtrack. Der Schilcher Ried Hochgrail war der erste des Trios vom Weingut Lex Langmann , das ich probiert habe. Der karge Gneisboden gibt dem Wein seinen bestimmten Charakter mit salzigen Noten, kleinbeerige Trauben bringen feine Frucht, die hohe Lage sorgt für Frische und die sonnenverwöhnte Exposition für hohe Reife.
Das Charakter-Profil: Herb, unterhaltsam, ohne Allüren, aber mit viel Trinkzug.
Und kurz: Verliebung auf den ersten Schluck. Weil: nach dem Schluck dieses geschmolzenen Erdbeer-Kirsch-Grapefruit-Eises richtig was passiert. Keine Anlaufschwierigkeiten. Der Rosé fließt geschmeidig über die Zunge, als würde mich ein Reben-Bach-Surfer aufs Board ziehen, leicht herb, und dann eine ungewohnt filigrane Säure, die immer mehr am Lautstärkeregler dreht – und einfach nur lässig Bock auf den nächsten Schluck macht. Dieses neugierig machend herbe, leicht kräutrige, das so ungewohnt aber wegen der Eckigkeit so anziehend daherkommt, hat echt meinen Style getroffen.
Lex Langmann Ried Hochgrail Schilcher, Preis: 13,80 Euro, über weingut-langmann.at
Lex Langmann Ried Edla Schilcher
Musterbeispiel für Facettenreichtum im Glas: Der Lex Langmann Ried Edla Schilcher.
Der Ried Edla Schilcher setzt noch einen drauf, und machen wir es kurz: Wow, da scheppert die Steiermark aber einen Rosé-Rock’n’Roll raus. In der Nase war der Wein eher verhalten, schüchtern, wie ein feiner, rotfruchtiger Nebel, aber die edle, granatrote Farbe mit Bernstein-Vines suggerierte schon: Da steht ein Abenteuer an. Der Unterboden besteht aus kristallinem Schiefer, auf dem eine dünne Schicht von Felsbraunerde lagert. Wie eine natürliche Bucht bildet sie eine geschützte und sonnenverwöhnte Lage, von kühlen Wäldern umrundet. Diese besonderen klimatischen Bedingungen führen zu einem vielschichtigen Wein, der von heller Frische bis dunkler Reife alle Facetten seiner Herkunft ausspielt.
Sehr erwachsen, herb, hintenraus eine unfassbar saftige Säure – ein kultivierter Rosé-Soundtrack.
Auf die erfrischende Gaumen-Achterbahn gehts dann mit ultrafeinperligem Kribbeln, der Schilcher gleitet smooth wie ein geschmolzenes Blutorangen-Kirsch-Johannisbeer-Eis mit Rooibos Tee-Infusion über die Zunge. Sehr erwachsen, tief, schwer, herb, hintenraus eine unfassbar saftige Säure – mehr Action nach dem Runterschlucken als im Schwarzenegger-Filmen. Anders, aber anders geil. Kein Rosé zum Gedankenverloren Trinken bei 35 Grad, sondern zum Draufeinlassen und unique erfrischt werden.
Lex Langmann Ried Edla Schilcher, Preis: 22 Euro, über weingut-langmann.at
Lex Langmann Ried Hochgrail Sonnenhang Schilcher
Aufgeschlossen attraktiv: Der Lex Langmann Ried Hochgrail Sonnenhang Schilcher ist ein begeisternder Charakterkopf.
“1000 von 100 Punkten. Etwas ganz besonderes.” – und ein Lächeln, das war der Kommentar meiner Mom nach dem ersten Schluck des Lex Langmann Ried Hochgrail Sonnenhang Schilcher, während sie scherzhaft die Weinflasche zu sich zog, mit diesen “geb ich nicht mehr her”-Vibes. Die Beschreibung fang ich damit an, weil es einfach die Begeisterung und Magie dieses Weins mit dieser kleinen Geste treffend auf den Punkt bringt. Ein Rosé, der – ja, der vom Schnäppchenbereich Abstand hält wie wenn beide Nordpole eines Magneten aufeinandertreffen. Aber grade das macht hier den Reiz aus – weil dieser Charakterkopf-Obstsalat vom ersten Riechen-Nippen-Kippen-Kontakt an zeigt, dass da eine Persönlichkeit im Glas steckt, die auf ein classy strukturiertes Aromen-Abenteuer mitnimmt. Allein schon die leuchtend rote Farbe, irgendwo zwischen Rostrot und Kupfer glänzend, macht neugierig. Die sonnenverwöhnteste und gleichzeitig sehr windexponierte Parzelle des Hochgrail heißt Sonnenhang. Hier werden die Trauben besonders reif, der Wein zeigt es durch Geschmeidigkeit – auch dank des Ausbaues im kleinen französischen Holzfass.
Aromen-Achterbahnfahrt im classy Dresscode: Dieser Schilcher war eine meiner persönlichen Wein-Highlights 2024.
Hölzern kommt der Schilcher aber nicht daher, sondern trotz der schönen herben Humor-Pointen immer sehr smooth. Tiefbeerig, hintenraus eine feine Säure mit gefühlt tausenden ultrafeinen Mini-Perlen, die beim Trinken Ping Pong spielen. Herb, kultiviert, bleibt lange im Nachhall, macht unfassbar charmant Lust auf eine Zugabe. Für gedankenwanderndes Daydrinking ist mir das Ding zu schade, ein superspannender Wein zum lauen Balkonabend, auf dem man sich einlässt, den man mit anderen neugierigen Wein-Entdeckern teilt, und einfach genießt. Weil diese Flasche dennoch gefährlich schnell leer wird, glaubt mir.
Lex Langmann Ried Hochgrail Sonnenhang Schilcher, Preis: 30 Euro, über weingut-langmann.at
*Kostmuster