„Und, was hast du alles bekommen?“ Ein Satz, der mich an Weihnachten seit der Jugend verfolgt. Ein Satz, auf den ich eigentlich nie antworten mag. Weil es absolut nebensächlich ist. Ich mag Vergleiche eh schon nicht. Und die Festtage wurden immer mehr zur in buntem Papier verpackten Sparkassen-Werbung: Mein iPhone, meine Handtasche, meine neue Nase. Mein neues Auto. Ah, meine neue Freundin. Ach ja: Und meine Crew ist übrigens viel besser als deine. Nice. Ey: Heiligabend ist doch kein Rap-Video. Pause. Ein paar Tage zurückspulen.
Smartphone-Diät in 3 Tagen
Wenn ich in München Ubahn fahre, starrt eigentlich fast jeder Insasse aufs Smartphone. Und leider hört das am Essenstisch mit der Family nicht auf. Dann hat man endlich mal wieder alle um sich rum, die man ja eh unregelmäßig bis selten in der Konstellation sieht. Und widmet sich statt den echten irgendwann den digitalen Kontakten. Klar: Omas können schon manchmal echt eigen sein und kleine Kinder haben ihren eigenen Kopf. Ich hab solche „Zusammensitz“-Momente einfach wenig, daher will ich soviel es geht mitnehmen. Und deswegen war der Vorsatz dieses Weihnachten: Handy weg, so gut es geht.
Schau. Nicht. Rein.
Natürlich nutz ich mein Handy, um Familienbilder zu machen. Oder mal ein schönes, das für den Blog passt. Aber: Ich habe über die Feiertage außer 2 Bildern nichts gepostet. Keine Story. Keinen Content, wie die man als Influenza sagt. Obwohls für die Reichweite wichtig wäre, wie man mir immer sagt. Hab nichts aus meinem Privatleben mit Glitzerstaub in die Öffentlichkeit geprügelt. Dreist. Hat auch geklappt. War am Ende gar nicht so schwer. Die Social Media Apps nicht zu öffnen, um reinzuschauen, schon eher. Auf dem Stand bleiben. Vielleicht doch mal Langeweile zwischendurch. Ich geb zu: Hat nicht immer geklappt. Mit dem erwarteten Ergebnis. Ich hab mir vor allem Insta-Verbot auferlegt, weil ich dann nur das Denken anfange. Oder mich aufrege. Meist auch beides.
Kiloweise Instagram
An den Tagen um Weihnachten ist auf Social Media alles noch perfekter. Noch schöner. Noch dekorativer. Noch glücklicher. Wer hat den schönsten Baum? Alle Tische sind gedeckt wie im Produkt-Katalog. Pärchenpullis werden ausgepackt. Designer-Tüten gestapelt. Alles lächelt um die Wette. Gefeiert wird in der Designer-Wohnung, in Kitzbühel oder gleich unter Palmen. Die wichtige Frage ist und bleibt ja: Was hat man während der Besinnlichkeit eigentlich an? In 08/15 Outfit kann man ja gar nicht mehr Richtung Baum. Und Kreativität war unter dem meist aus, wenns um die Beschreibungen unter den Bildern ging: Austauschbare Wiederholungen in Endlosschleife. Also wie im TV.
Eigentlich besinnt man sich an dem Tag ja dem Wesentlichen. Selbstinszenierung und Imponieren gehört für mich da jetzt nicht in die erste Reihe. Aber vielleicht ist der Alltag bei diesen Menschen ja wirklich so glitzernd und beim Toilettengang wird Einhorn-Sternenstaub versprüht. Asche auf mein Haupt. Äh, auf mein Nacken. Sorry Digga.
Wenn kindisch, dann mit Kindern
Ich hab wie 2018 mit meinen beiden Nichten gefeiert. Was im Päckchen ist, ist so egal. Die freuen sich einfach übers Auspacken. Und wenns ne Schneekuge ist. Oder ein Pfannen-Set. Übers zusammen spielen. Auf Kissen durch die Gegend ziehen. Greifen beim Essen so beherzt zu, dass man nicht mal ein Bild davon machen könnte. Und die zwei lieben Bilder. Nur: Sie malen sie. Oldschool. Mit Stiften. Wasserfarbe. Auch schon mal an die heimische Wand. Anderswo auf der Welt werden ihre Altersgenossen von den überambitionierten Eltern schon zu Baby-Influencern aufgebaut. Dass die zwei ihren Platz in diesem Post finden, war mir wichtig – weil diese Offline-Auszeit so einigen unnötigen Gedanken und Zweifeln in meinem Kopf ein paar nötige Ohrfeigen verpasst hat.
Angreifbar sein, Momente der Schwäche, Selbstzweifel: All das scheint nicht prädestiniert für die heile Social-Glitzer-Bühne. Warum eigentlich nicht? Weil das jemandem wie mir, der gerne mal von Fremden als arroganter, unnahbarer, emotionsloser Stein interpretiert wird, nicht steht? Ich finde: Ehrlichkeit kann jeder tragen. Man muss sie nicht immer gleich mit der Spiegelreflex fotografieren. Ach ja, diese kindliche Unbeschwertheit hätte ich schon gerne öfter. In dem Park in meiner Hood geht das easy – Empfang gibt’s da nämlich keinen.
Handy weg – Silvester auch?
Noch mehr Post-Geknalle gibt es dann in ein paar Tagen. Eine Taktik hab ich noch nicht. Vielleicht erfinde ich ein Spiel für mich. Bullshit-Bingo-Shots. Amüsante Posts checken, peinliche Produtk-Werbung sammeln, auf jedes „Ihr Lieben“ oder „Hey guys“ ein Glas Champagner exen – Schocktherapie nennt man das glaub ich.
Internet, Smartphone, Tablet – am Ende hängt meine Happiness nicht an einer Maschine. Jeder hat sie selbst in der Hand. Und für meine Happiness leg ich das Handy jetzt öfter aus selbiger. Frohe Offlinenachten & ein gesundes neues Jahr!