Beruf oder Berufung?

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Wann wissen wir eigentlich, was wir werden wollen? Wird der erste Berufswunsch auch der Traumjob? Fußballer ist aus mir keiner geworden. Aber ein Zeugnis aus der 2. Klasse, das ich jetzt gefunden habe, zeigt: Man hätte meinen Weg ahnen können.


Pilot, Anwalt, Arzt. Laut neuer Studie drei der beliebtesten und mit ordentlich Sexappeal verbundene Jobs. Als Berufswunsch kam für mich keiner davon in Frage. Ich seh zu schlecht,  bin furchtbar schlecht darin, vor Leuten ein Plädoyer für irgendwas zu halten und trage meistens schwarz. Mein erster Wunsch war ein Klassiker. „Wenn ich groß bin, werd ich Fußballer„. Das hab ich mir seit dem 5. Geburtstag immer gesagt. Mit der Größe hat’s super geklappt, als Kicker gabs dann nach der Kreisliga aber keine Rosen mehr.

Berufswunsch oder: Muss immer alles geplant sein?

Mit was ich mal Geld verdienen würde, konnte ich nach dem Ausschlussverfahren schon deutlich eingrenzen. Handwerklich untalentiert, auf Kriegspfad mit Zahlen und extrovertiert wollte ich nicht mal buchstabieren. Schreiner, Mechatroniker, BWL, Buchhalter, Key Account Manager oder Vertrieb fällt da schon mal weg. Der Begriff „Irgendwas mit Medien“ war 2007 noch nicht verbreitet, aber spätestens nach dem Abi war klar: Es muss was kreatives werden. Ideen verkaufen war das einzige, in dem ich echt gut war. Also außer mich jedes Jahr eine Klasse höher durchzumogeln. Texter sein und nebenbei einen eigenen Blog zu haben? Daran hab ich damals so wenig gedacht wie an die binomischen Formeln. Warum ich da jetzt drüber nachdenke? Meine Mom hat beim Aufräumen (wohl eher eine Keller-General-Sanierung) ein altes Zeugnis gefunden. Aus der zweiten Klasse. Und da hat die Lehrerin schon mehr geahnt als ich. Jetzt muss ich sagen, ich hab keine Ahnung mehr, was in diesen spannenden Geschichten so alles abging, Aber offenbar war es spannend.


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Ich erinnere mich auch noch an einen Moment in der 5. Klasse. Pausengong. Alles rennt aus dem Zimmer. „Bleibst du bitte da. Und machst die Tür zu?“, sagt mein Deutschlehrer. Stille. Ich sitze vor dem Pult, darauf ein Ordner, ein paar Mappen, sonst nur dunkles, altes Holz. Die Tafel hatte schon bessere Tage gesehen, der Stuhl wackelt, links von mir die Fenster, draußen alles grün. Jetzt kommt ein derber Anschiss. Andere Optionen kamen nicht in Frage. Für Herrn Hoffman schon. „Kannst du mir einen Gefallen tun?“ fragt er, und legt mir meinen Aufsatz auf den Tisch. „Bleib bitte dran.“ Stille. Ich kuck dumm.. (ja, das weiß ich noch). „Ich mag wie du Geschichten erzählst. Schau, dass du das weiterhin machst. Verlier nicht den Spaß am texten.“ Ich nicke nur irritiert. „Und jetzt raus auf den Hof!“ Das Schreiben danach hat sich auf Prüfungen, Lebensläufe und Bewerbungen konzentriert. Nächster Berufswunsch: in die Werbung. Hab ich irgendwann nach einer kleinen Odysee auch geschafft. Zu Werbung mit einem Männer-Magazin drum rum. Manchmal ist einfach der Plan, keinen Plan zu haben. Um am Ende keinen Beruf, sondern seine Berufung zu finden.


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Wer, wie, was, warum?

Warum wird man, was man wird? Wie viele Jobs muss man ausprobiert haben, um seinen Traumjob zu finden? Und was macht eigentlich wirklich glücklich? Natürlich zucke ich noch zusammen, wenn ich die Gehälter von alten oder neuen Bekannten höre. Aber das ist für mich nicht das erstrebenswerte Ziel. Ich habs probiert und der Kontostand war das innerliche Unglücklichsein nicht wert. Eine Arbeit zu finden, in der man selbst aufgehen kann, sich selbst sein kann, noch zusammen mit einem coolen Team, ist nicht selbstverständlich. Und damit wichtiger als die Zahl auf dem Gehalts-Zettel. Wenn ich heute flüssig und ausdrucksvoll lese, denk ich eher an einen guten Wein. Aber habe durch diesen Fund gelernt: Fast noch spannender als Hotel-Trips sind persönliche Zeitreisen.

Und liebe Frau Braun – und besonders Herr Hoffman – wenn Sie das zufällig irgendwie lesen: Ich bin dran geblieben. Und erzähle weiter. Danke.

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